
Ende August waren Merlin und ich im Valtournenche. Über den Liongrat sollte es auf das Matterhorn gehen.
Ein kurzes Video mit Eindrücken von der Route und vom Rifugio Carrel.
Lionridge - Monte Cervino
Das Matterhorn oder der Monte Cervino. Ein großer Traum für viele Bergsteiger. Auch wir wollen dort hoch.
Am Samstag geht es endlich los. Nachdem mein Zug schon Verspätung hatte, kommen wir erst eine Stunde später los als geplant. Aber egal. Mit Merlin treffe ich mich am Bahnhof und auf geht's. Die Fahrt ist lang aber dafür ohne Stau. Trotzdem dauert es ewig, bis wir im Valtournenche ankommen.
Bei Sonnenuntergang fahren wir am Genfer See vorbei. Langsam ziehen Wolken auf und wir machen uns Gedanken zum Wetter.
"Hoffentlich hält das Wetter. Bloß kein Gewitter."
Wir bleiben trotz Regen guter Dinge. Das Känguru und Marc-Uwe erzählen von ihren witzigen Erlebnissen während wir bei immer stärkerem Regen die ersten Blitze erkennen können. Nach etwas mehr als zehn Stunden kommen wir in Breuil (2003m)an. Nach einem kurzen Snack gehts ab in die Schlafsäcke.
Der nächste Morgen | Der Weg zum Colle del Leone
Am Sonntag wachen wir bei angenehmen Temperaturen auf. Bestes Kaiserwetter begrüßt uns und die Sorgen vom Vortag werden verworfen. Wie geplant machen wir uns um 8 Uhr auf den Weg zu unseren nächsten beiden Zwischenstopps: dem Rifugio Duca degli Abruzzi (2802m) und unserem Tagesziel dem Rifugio Carrel (3829m). Nach nicht einmal zehn Minuten fällt Merlin ein, dass er seinen Schlafsack vergessen hat. Also kurz nochmal umkehren und den selbigen geholt und schon machen wir uns über ausgetretene Pfade auf den Weg.
Nach einer kurzen Rast am Rifugio Oriondé geht es über nun etwas steiler werdende Bänder Richtung Colle del Leone. Vorbei am Croce di Carrel (2920m) geht es nun durch eine Rinne weiter Richtung Testa del Leone. In der Rinne überholen wir drei Tschechen mit schwerem Gepäck und in unseren Augen nicht so geeigneten Wanderschuhen (eher Wüstenstiefel). Laut Tourenbeschreibung kommt nun ein großes Schneefeld, welches man durchquert. Die Spuren sind deutlich zu erkennen, wir nehmen jedoch den felsigen Aufstieg über den breiten Grat, was im Nachhinein deutlich Zeit und Energie gespart hat.
Über weitere Bänder, Schutt und leichte Querungen erreichen wir bei brütender Hitze den Colle del Leone auf 3580m.
Vom Colle del Leone zum Rifugio Carrel
Nach einer kurzen Trinkpause geht es sofort weiter. Nun kommt der etwas anstrengendere Teil des Aufstiegs. Einige Fixseile erleichtern den Aufstieg über Platten und Absätze enorm. Meiner Meinung nach sollte man diesen "Ausbau" der Berge jedoch verhindern, sodass nur diejenigen Bergsteiger mit der nötigen Erfahrung solche Gipfel besteigen können. Gegen 13:00 Uhr, also nach ca. 5 Stunden inkl. Pausen kommen wir am Biwak an. Wir sind zufrieden und ein wenig Müde. Die Höhe merken wir beide doch mehr als uns lieb ist.
Im Biwak ist es noch ruhig. Einige wenige weitere Bergsteiger sind schon vor uns angekommen. Wir ruhen uns erst einmal aus und hoffen, dass wir genügend Wasser mitgenommen haben (ein italienischer Bergfreund gab uns den Hinweis mindestens vier Liter Wasser mitzunehmen, da es am Biwak keine Möglichkeit gibt frisches Wasser abzufüllen oder Schnee zu schmelzen). Jeder von uns hat nach dem Aufstieg noch ca. 1,5l dabei. Uns wird bewusst, dass er wohl vier Liter pro Person und nicht insgesamt gemeint hat.
"Shit happens."
Gegen Nachmittag kommen die Ersten vom Gipfel zurück. In einigen Gesprächen erfahren wir, dass Steigeisen und Pickel getrost im Biwak bleiben können, da der Grat bis zum Gipfel frei von Schnee und Eis ist. Wir entscheiden uns trotzdem einen Pickel mitzunehmen. Sicher ist sicher. Als am Abend nur einer der drei Tschechen am Biwak ist, gehen zwei Bergführer Richtung Tal. Nach mehreren Stunden kommen die zwei anderen völlig erschöpft in Begleitung der Bergführer am Biwak an. Die drei beschließen besser den nächsten Tag zur Regeneration zu nutzen und keinen Gipfelversuch anzugehen.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit kommt noch eine größere Gruppe vom Gipfel zurück. Laut Beschreibung dauert der Aufstieg ca. fünf bis sechs Stunden. Wenn man also wie in der Hütte beschrieben (Wecken: 4:30 Uhr) losmarschiert sollte man doch eigentlich spätestens gegen Nachmittag wieder am Biwak sein. Wir entscheiden uns möglichst zu den Ersten am nächsten Morgen zu gehören, um nicht im Stau stehen zu müssen und zügig voran zu kommen. Um acht Uhr abends geht es ab ins Lager.
Früh geht's los | Der Weg zum Pic Tyndall
Aufgrund der Höhe und unserer eher "bescheidenen" Akklimatisierung schlafen wir wenig bis gar nicht. Um 4:00 Uhr klingelt der Wecker. Zwecks Schlafmangel brauche ich den sonst so dringenden Wecker heute nicht. Seit 3:30 Uhr bin ich schon auf den Beinen und schaue mir bei sternklarer Nacht die Milchstraße an. "Perfektes Wetter", denke ich, "nur ein wenig kalt". Ein wenig kalt ist für diese Höhe und diese Uhrzeit übertrieben. Es sind ca. 0°C. Unser Problem ist nur, dass wir keine Handschuhe eingepackt haben (Packlisten sollen hilfreich sein).
Um kurz vor fünf Uhr kommen wir los. Unser Plan unter den ersten Seilschaften zu sein ist aufgegangen. Vor uns ist nur eine weitere Seilschaft, welche aber bestimmt eine ganze Stunde Vorsprung hat.
Vom Einstieg bis zum Pic Tyndall
Noch etwas müde und langsam steigen wir ein. Über das erste Fixseil und einfache Kletterstellen kommen wir zügig voran. Auf unserem Weg zum Tyndallseil suchen wir vergeblich das Linceul (Leichentuch). Normalerweise sollte hier ein kleines Schneefeld sein, welches bei wenig Schnee in einen kleinen Westteil und einen größeren Ostteil getrennt ist. Wir finden dieses Schneefeld allerdings nicht sondern haben stattdessen unseren ersten "Verhauer". Macht nichts. Nach kurzer Zeit finden wir nun doch den richtigen Weg wieder. Mittlerweile hat uns ein Bergführer mit Gast eingeholt, welcher kurz nach uns los gegangen ist. Wir klettern das nun doch gefundene Tyndallseil hoch und stehen nun am Ende des Hahnenkamms (Crete du Croq). Über den Grat geht es weiter, am "Cravate", dem großen Schuttfeld in der Südflanke, vorbei. Kurz vor dem Pic Tyndall (4241m) halten wir uns zu weit westlich und haben unseren zweiten "Verhauer". Dieser kostet uns jedoch keine Zeit, da wir zügig in einer Verschneidung weiter aufsteigen können. Am Pic Tyndall angekommen, machen wir eine kurze Trinkpause. Der Bergführer und sein Gast überholen uns dort.
Vom Pic Tyndall zum Gipfel
Der Pic Tyndall bildet mit dem 200m langen, fast horizontalen Stück des Liongrats, die stark ausgeprägte südliche Schulter des Matterhorns. Am Ende müssen wir ein paar Meter in eine Scharte abklettern. Dort überholen wir den Bergführer und seinen Gast wieder. Weiter geht es zum Col Felicité, einer schmalen Plattform direkt vor der Echelle Jordan (10m Strickleiter). Hier sind meine Finger kalt, ich spüre die Höhe sehr stark und merke, dass ich bis jetzt viel zu wenig getrunken habe. Ich bin kurz davor Merlin zum Umkehren zu bewegen. Nachdem ich aber feststelle, dass es nun nur noch der letzte Anstieg kommt, mobilisiere ich meine Kräfte und es geht weiter. Über einige eisfreie Platten und etwas Schutt geht es meistens mit Fixseilen gesichert wie über eine Autobahn Richtung Gipfel.
Gipfel
Um 8:00 Uhr, also nach ca. 3 Stunden stehen wir auf einem der wohl bekanntesten Berge dieser Welt. Selbst hier oben auf 4478m liegt kaum Schnee. Den Klimawandel und das Abschmelzen der Gletscher kann man von hier oben deutlich beobachten.
Erstaunt über unser Tempo verschnaufen wir jedoch nur kurz, da uns Beiden bitterkalt ist. Ein, zwei Fotos und auf geht's zum zweiten, meist jedoch schwierigerem, Teil einer Besteigung: dem Abstieg.
Abstieg
Den ersten Teil bis zum Col Felicité klettern wir ab, durch die Scharte und über das Plateau bis zum Pic Tyndall kommen wir gut voran. Dort machen wir unsere "Gipfelrast", wir trinken und essen etwas und sind froh, dass die Finger langsam im Sonnenlicht wieder munter werden. Von dort aus entscheiden wir uns abzuseilen, es ist schneller und vor allem sicherer. Leider ging unser Plan nicht komplett auf, da wir ein Dreiergespann vor uns hatten, welche wir erst am Tyndallseil überholen konnten. Trotzdem kommen wir um 12:00 Uhr also nach vier Stunden Abstieg und insgesamt 7 Stunden gesund und heile wieder am Biwak an.
Von dort geht es nach einer kurzen Pause weiter Richtung Breuil-Cervina. Das Dreiergespann ist jedoch wieder vor uns und wir müssen also wieder warten. Wir machen ein paar Fotos und können die Aussicht zum Dent d'Hérens (4171m) genießen. Kurz vor dem Colle del Leone überholen wir die Drei erneut und von nun an geht es zügig Richtung Rifugio Oriondé. Dort angekommen gönnen wir unseren müden Beinen eine Pause und trinken unser wohl verdientes Bier ( 2x 0,33l, warm, 12,-€).
"Das war wohl nix."
Runter geht es diesmal größtenteils über den Fahrweg nach Breuil. Dort angekommen stellen wir den Bus an einem Sportplatz ab und bereiten uns eine leckere Pasta-Spezialität zu. Bei dem ein oder anderen Bier lassen wir uns den Erfolg schmecken und schauen schon jetzt sehnsüchtig zu diesem imposanten Berg hinauf.
Wir kommen wieder, allerdings werden wir das nächste Mal bestimmt nicht über einen der "Normalwege" gehen. Das war für unsere Geschmäcker zu sehr Autobahn und nicht genug Freiheit und Abenteuer.
Alles in allem eine gelungene Tour. Wenn Du Informationen bzgl. Bedingungen, Routenverlauf o.ä. haben möchtest, schreib mir eine Mail.
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Wollle (Freitag, 04 Mai 2018 14:42)
Hallo , möchten im Sommer den Liongrat gehen , aber eventuell mit Biwak ziemlich weit oben , eventuell am Pic Tyndall . Wollen so versuchen etwas den Massen zu entgehen . Gibt es dort einigermaßen vernünftige Plätze zum biwakieren ? Lg
Moritz | emkasports (Montag, 21 Mai 2018 18:57)
Hey Wolle,
da oben gibt es einige Ecken wo man biwakieren kann. Auf der Schulter kann es bei Wind allerdings schon sehr ungemütlich werden. Richtige "Liegeflächen" gibt es, wenn ich mich richtig erinnere, leider nicht.
Besten Gruß und viel Erfolg! Passt auf euch auf.